Besucher in unserem Büro sind immer wieder überrascht, dass hier überall große, für alle einsehbare Monitore an der Wand hängen. Auf den Bildschirmen sind die aktuellen Stände von Projekten und Prozessen zu sehen. Controlling in kreativen Teams scheint nicht weit verbreitet und schon gar nicht akzeptiert zu sein.
Kein Management-Tool sondern echte Arbeitshilfe
Bei uns ist das klar aufgeteilt. Das Dashboard gehört dem Team und nicht dem Chef. Das Team bestimmt, welche Zahlen relevant sind und für das tägliche Arbeiten benötigt werden.
Das ist meiner Meinung nach die Grundvoraussetzung, damit der Vorteil für solch ein System angenommen werden kann. Natürlich kann dieselbe Information verwendet werden, um profane Auswertungen über die Performance von Teams oder gar einzelnen Mitarbeitern durchzuführen. Aber genau hier liegt die Herausforderung für uns Führungskräfte im Umgang mit diesen Möglichkeiten.
Daten sind ohne Interpretation nicht aussagekräftig
Als ich anfing, solche Auswertungen auf großen Bildschirmen in unseren Büros aufzuhängen, war die Skepsis zunächst groß. Aber eine schlechte Zahl oder eine überschrittene Deadline ist niemals ein Indiz für einen faulen oder schlechten Mitarbeiter. Diese Verknüpfung darf im Kontext transparenter Daten nicht existieren!
Ich habe von Anfang an versucht, den Nutzen dieser Informationen in den Vordergrund zu stellen. Alle Auffälligkeiten in Bezug auf diese Daten sollten immer als Geschenke verstanden werden. Sie weisen uns darauf hin, dass eine Zuständigkeit nicht klar ist, dass die Kapazitätsplanung schlecht war oder dass eine Abhängigkeit nicht berücksichtigt wurde. Alles Probleme, die man aus dem Weg räumen kann und die man vermutlich nicht so schnell hätte aufdecken können, wenn nicht an der Wand etwas rot geleuchtet hätte.
Motivation statt Kontrolle
Wenn sich der einzelne Mitarbeiter nicht mehr unter Generalverdacht sieht und stattdessen das Tool als Hilfe annimmt, dann entfaltet sich das tatsächliche Potential solcher Dashboards. Am Ende des Tages kann eingesehen werden, wie viele Aufgaben man an einem Tag wegschaffen kann. Dashboards können nämlich nicht nur Fehler anzeigen, sondern ganz besonders gut auch Erfolge ausweisen.
Eine enorm wichtige Rolle dabei spielt das Design solcher Dashboards – also das inhaltliche Konzept. Viele unserer Dashboards sind so aufgebaut, dass sie z.B. sowohl die Menge an Arbeit in Prozessen anzeigen als auch die heute oder gestern bereits durchlaufenen und erfolgreich abgeschlossenen Prozesse. So relativieren sich die anstehenden Aufgaben, weil man weiß, dass man die Menge an Arbeit locker bewältigen kann.
Die Anforderungen an eine Führungskraft in Zeiten von Big Data und transparenten Daten
Ob das Controlling und das Veröffentlichen von solchen Daten im Team angenommen werden kann oder nicht, hängt fast ausschließlich vom Fingerspitzengefühl und der Führungskompetenz des Vorgesetzten ab.
- Gelingt es uns, ein Umfeld gegenseitigen Vertrauens zu schaffen?
- Sind die Zahlen aussagekräftig genug und gleichzeitig nicht zu privat/personenbezogen?
- Wie gehen wir mit Bedenken Einzelner um?
- Sind wir bereit, die Kontrolle und die Konzeption der Dashboards in die Hände unseres Teams zu geben?
Fehlendes Vertrauen wird das System sabotieren
Die Grundlage ist auch hier – wie so oft – das Vertrauen zwischen der Führungskraft und ihren Mitarbeitern. Wenn Vertrauen fehlt, wird ein Dashboard immer als Kontrolle ausgelegt werden. Vielmehr wird es in solch einer Situation des gegenseitigen Misstrauens sogar das Gegenteil der eigentlichen Absicht bewirken. Dann werden die Mitarbeiter nämlich ausschließlich so arbeiten, dass die Zahlen auf dem Dashboard gut für sie aussehen.
Und wir wissen alle, dass wir Daten so manipulieren können, dass sie gut wirken. Wir können Deadlines anpassen, Zuständigkeiten hin und her schieben, Prozesse umgehen oder Informationen über Missstände zurückhalten. Dann zwingen wir Führungskräfte unsere Mitarbeiter dazu, die Dashboards zu sabotieren, um Anschuldigungen oder Schuldzuweisungen aus dem Weg zu gehen.
Die Angst vor Konsequenzen führt zu falschen Informationen. Falsche Informationen führen zu schlechten Daten. Schlechte Daten lassen uns falsche Maßnahmen ergreifen. Falsche Maßnahmen verursachen neue Missstände, die die Mitarbeiter wieder umgehen und die Information darüber werden sie ebenfalls zurückhalten – aus Angst vor Konsequenzen.
Der einzige Weg ist: Vertrauen und ein gemeinsames Ziel von Mitarbeitern und Führung
Wir müssen ein Umfeld erzeugen, in dem jeder sagen kann, was nicht funktioniert und die Courage belohnen, wenn jemand zu seinen Fehlern steht. Nur dann entsteht ein Lernprozess. Fehler können in Zukunft reduziert werden und das Team kann an sich selbst wachsen. Dashboards, Controlling und öffentlich einsehbare Monitore im Büro können dabei helfen. Der Trugschluss, dass mit ein paar Bildschirmen an der Wand endlich alle Missstände und Fehler aufgedeckt und somit besser mit Konsequenzen um sich geschossen werden kann, wird in einem Desaster enden.
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