Meine Erfarungen mit Zuständigkeitsbereichen (Areas of responsibility) in Team-Strukturen

Zuständigkeitsbereiche in Team-Strukturen (AORs/Areas of responsibility)

Eine Gruppe entwickelt ab einer gewissen Größe einen selbständigen Drang, sich in Untergruppen, Hierarchien und Zuständigkeiten zu ordnen. Das geschieht auf der Grundlage von persönlichen Charaktereigenschaften und dem Zusammenspiel unterschiedlicher Stärken und Schwächen in der Gruppe.

In der Arbeitswelt kann man diesen Drang ebenfalls beobachten und ihn als Führungskraft für die Strukturierung des eigenen Teams nutzen.

Wie entstehen gewachsene Hierarchien und was haben Highschool-Filme damit zu tun?

Natürlich gibt es die vorgegebene hierarchische Struktur in einem Unternehmen. Es gibt Geschäftsführer, Bereichsleiter, Teamleiter und Angestellte in unterschiedlichen Senioritätsstufen, vom Azubi bis hin zum fachlichen Leiter.

Oftmals gibt es aber auch eine zweite hierarchische Struktur, die nichts mit dem vom Arbeitgeber festgelegten Machtgefüge zu tun hat. Vielmehr entsteht diese durch die Dynamik in der Gruppe. Eine schöne Analogie sind Highschool-Filme: Dort gibt es z.B. die Cheerleaderin, die eine Gruppe von Mädels um sich schart und die ihren Einfluss auf schnippische Weise sowie oftmals aus merkwürdigen Überzeugungen heraus begründet. Dann gibt es die Nerds, die an der Foto- oder Video-AG teilnehmen, von niemandem gemocht werden und später einen wichtigen Teil dazu beitragen, dass die Menschheit doch nicht von Zombie-Aliens vernichtet wird. Dann gibt es vielleicht noch das hässliche Entlein, dass zunächst keinen Anschluss findet. Außerdem sind dort vorlaute Skater-Angeber vertreten, ebenso wie der Feingeist, der über das große Ganze nachdenkt und von niemandem verstanden wird – aber am Ende doch die große Liebe findet.

Es gibt genau solche Gruppierungen auch in jedem unserer Teams. Wenn wir diese ein wenig überzeichnen würden, käme auch hierbei erstklassiges Filmmaterial heraus.

Wichtig ist aber die Erkenntnis, dass sich auf diese Weise selbst gewachsene Hierarchien und Zuständigkeiten ergeben. Die Kunst ist es, diese zu erkennen und zu fördern bzw. Missverhältnisse zwischen organisatorisch vorgegebenen und gewachsenen Hierarchien zu vermeiden.

Warum sind Zuständigkeitsbereiche sinnvoll?

  • Es gibt eindeutige Zuständigkeiten für jeden Bereich der Organisation.
  • Sie stellen sicher, dass alles, was in der Firma geschehen muss, auch geschieht.
  • Teammitglieder, die nicht im Management sind, haben die Möglichkeit, zu wachsen und wichtige Bereiche zu leiten.
  • Jedes Problem wird von der jeweils fähigsten Person angegangen.
  • Jeder wird angeregt, fundiertes Wissen in einem spezifischen Bereich aufzubauen …
  • … damit steigt auch das gesamte Wissen im Unternehmen.
  • Zuständigkeiten helfen bei der Identifikation fehlender Kompetenzen, die über das Recruiting ins Unternehmen geholt werden müssen.
  • Den Managern bzw. Teamleitern wird die Entwicklung von Fähigkeiten wie Delegieren oder Reduzieren operativer Arbeit vereinfacht.
  • Jeder hat die Möglichkeit, die Art zu arbeiten/Prozesse/das Umfeld zu verändern.
  • Eindeutige Zuständigkeiten fördern die transparente Verteilung von Wissen und wirken gegen „Wissens-Silos“.
  • Mitarbeiter erhalten Zuständigkeitsbereiche als Belohnung für gute Arbeit  unabhängig von Projekten oder hierarchischen Ebenen.
  • Verhalten und Arbeit außerhalb der bestehenden Strukturen erfahren Wertschätzung.

Definierte Zuständigkeiten vorzugeben ist wie Wasser das Fließen beibringen super einfach

Ich habe die wichtigsten Themenblöcke in meinem Bereich nach technischen und inhaltlichen Gemeinsamkeiten geclustert. Meistens gibt es bereits einen Mitarbeiter, der in einem dieser Cluster seine Stärken hat, sich schon lange mit der Thematik befasst oder den ich sogar extra für diesen inhaltlichen Bereich eingestellt habe. In der Regel ist es enorm einfach, hinter jedes dieser Cluster 1-3 Namen zu schreiben, denen ich die inhaltliche Verantwortung zutraue. Hinzu kommen Aspekte wie Zuverlässigkeit, Standing im Team und in der Firma  und fertig ist die Zuordnung von Zuständigkeiten.

Wie beim Highschool-Szenario oben, ergibt sich die Verteilung fast von selbst. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist es immer eine gute Wahl, das Team selbst anzuhören, wessen Stärken wohl für eine offene Zuständigkeit am besten passen.

Zuständigkeitsbereiche sind keine hierarchischen Ebenen

Besonderes Augenmerk muss darauf liegen, dass die Zuständigkeit für einen Bereich nicht mit einer hierarchischen Position verbunden ist. Ganz im Gegenteil sogar: am besten funktionieren diese Systeme unter möglichst gleichen Mitarbeitern. Idealerweise ist auch kein finanzieller Anreiz daran gekoppelt, denn nur unabhängig davon ist garantiert, dass die Aufgabe aus der reinen intrinsischen Motivation heraus übernommen wird und nicht des Geldes wegen. Somit wählt sich ein Mitarbeiter auch nur dann einen Zuständigkeitsbereich, wenn er bereit ist, diesen aus Eigenantrieb heraus dauerhaft voranzubringen.

Auf der anderen Seite muss natürlich auch honoriert werden, dass sich ein Mitarbeiter der zusätzlichen Verantwortung aussetzt. Durch unregelmäßige Incentives, Anerkennung vor der Gruppe und im persönlichen Gespräch, kann man dies aber meist sowieso viel besser regeln, als mit bloßem Geld, das sich ziemlich schnell abnutzt.

Wie ein Orden wenn die Zuweisung eines Zuständigkeitsbereichs als Incentive angenommen wird

In meinem Umfeld befinden sich sowohl viele junge Leute als auch Angestellte mit etwas mehr Erfahrung, die sich alle sehr schnell entwickeln und die gefördert werden wollen. Gerade in einem solchen Umfeld genießen diejenigen Kollegen eine hohe Anerkennung, die sich einer Aufgabe annehmen und Verantwortung für Themengebiete übernehmen wollen. Wenn ein Mitarbeiter so weit ist, kommt die Zuweisung einer Zuständigkeit einer Auszeichnung gleich  als die es ja auch gedacht ist.

„Ich vertraue Dir diese Zuständigkeit an und glaube, dass Du diese gut weiter voranbringst und entwickelst.“ Besser kann man Anerkennung für einen Mitarbeiter eigentlich nicht kommunizieren.

Erfahrungen aus 2 Jahren AORs/Zuständigkeitsbereiche

Ich arbeite nun seit etwas mehr als 2 Jahren mit der Logik von Zuständigkeiten in meinen Teams und bin begeistert. Vor allem von der Entwicklung der Inhaber von Zuständigkeiten. Diese haben sich in dieser Zeit stark verbessert, vor allem in Bezug auf ihre persönliche Entwicklung.

Ich habe z.B. einem Trainee sehr früh die Verantwortung für einen kritischen Themenbereich gegeben, aus der Überzeugung, dass sie inhaltlich dafür sehr geeignet ist. Heute verhandelt sie sicher mit der Geschäftsführung sowie externen Dienstleistern und ich kann ihr blind vertrauen. Noch besser: Ich weiß, dass ich mir als Führungskraft keine Gedanken mehr um diesen Bereich machen muss. Unser wöchentlicher Abgleich genügt vollkommen, um uns miteinander abzustimmen.

Ein anderes Beispiel zeigt, wie aus einem Mitarbeiter, der Schwierigkeiten hatte, sich selbst zu motivieren, ein völlig neuer Mensch geworden ist. Er kleidet sich besser, achtet auf Pünktlichkeit und die Einhaltung von Vorgaben. Seine tägliche Arbeit hat deutlich an Qualität gewonnen und mittlerweile ist er einer der wichtigsten Menschen in meinem Team. Nur, weil ich ihm eine Zuständigkeit und die damit verbundenen Pflichten  aber auch Rechte – gegeben habe. Es ist jetzt kein 9-to-5-Job mehr, es ist seine Aufgabe, seinen Zuständigkeitsbereich sauber zu führen.

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