Im Sommer 2017 hatte ich eine simple Idee: Warum nicht einen regelmäßigen Austausch zwischen Führungskräften in Stuttgart initiieren? Keinen dieser formellen Business-Netzwerk-Events, sondern echte Gespräche auf Augenhöhe. Heute bin ich dankbar, dass sich aus diesem Impuls eine außergewöhnliche Gruppe entwickelt hat.
Wie alles begann
Die ersten Treffen waren noch tastend, mit nur drei Teilnehmenden. Eine Chefärztin der Notaufnahme, die von ihren täglichen Herausforderungen in der Akutmedizin berichtete. Ein Bereichsleiter einer großen Versicherung, der von der Transformation traditioneller Strukturen erzählte. Und ich, mit meinen Erfahrungen aus dem Online-Marketing.
Schon diese ersten Gespräche zeigten: Trotz völlig unterschiedlicher Branchen teilen wir ähnliche Führungsherausforderungen.
Die Gruppe wächst
Nach und nach kamen weitere spannende Perspektiven hinzu. Die Geschäftsführerin eines Sporthandelsunternehmens brachte ihre Erfahrungen im Spannungsfeld zwischen stationärem und digitalem Handel ein. Ein Schulleiter einer Gesamtschule eröffnete völlig neue Blickwinkel auf Teammotivation und Entwicklung.
Die Dynamik veränderte sich mit jedem neuen Mitglied. Ein technischer Vorstand aus der Automobilindustrie und eine Creative Director einer Werbeagentur vervollständigten schließlich unseren Kreis.
Die verborgenen Parallelen
In unseren regelmäßigen Treffen entdecken wir immer wieder überraschende Gemeinsamkeiten. Wenn die Chefärztin von ihren Entscheidungsprozessen unter Zeitdruck berichtet, nickt die Creative Director verstehend – auch sie kennt die Herausforderung, in kritischen Momenten die richtigen Prioritäten zu setzen. Der Schulleiter und ich tauschen uns intensiv über die Entwicklung junger Talente aus, während die Geschäftsführerin des Sporthandels und der Bereichsleiter der Versicherung sich in ihren Erfahrungen mit digitaler Transformation wiederfinden.
Der besondere Wert dieser Konstellation
Das Besondere an unserem Austausch liegt in seiner Unvoreingenommenheit. Weil wir aus verschiedenen Branchen kommen, gibt es kein Konkurrenzdenken. Stattdessen herrscht eine Atmosphäre von ehrlichem Interesse und Offenheit. Wir können ohne Vorbehalte über Herausforderungen sprechen, Schwächen eingestehen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Die hierarchische Gleichstellung schafft dabei ein natürliches Verständnis für die Komplexität der jeweiligen Führungsrollen.
Die unerwarteten Erkenntnisse
Besonders wertvoll sind die Momente, in denen Erfahrungen aus einem Bereich überraschende Lösungen für einen anderen bieten. Als die Chefärztin von ihrer Prozessoptimierung in der Notaufnahme erzählte, erkannte ich darin Prinzipien, die sich hervorragend auf unser Projektmanagement übertragen ließen. Die Methoden des Schulleiters zur Förderung von Eigenverantwortung inspirieren mich regelmäßig in meiner eigenen Führungsarbeit. Und die Change-Management-Erfahrungen aus der Automobilindustrie halfen der Geschäftsführerin des Sporthandels, ihre Digitalstrategie neu zu denken.
Die menschliche Komponente
In unseren Gesprächen geht es um mehr als Führungstechniken und Managementmethoden. Wir sprechen über die Einsamkeit mancher Entscheidungen, über den Umgang mit Selbstzweifeln, über die Balance zwischen beruflichen Anforderungen und persönlichem Leben. Diese Offenheit schafft eine besondere Form der gegenseitigen Unterstützung, die in klassischen Business-Netzwerken selten zu finden ist.
Ein Gedanke zum Schluss
Was als einfacher Aufruf zum Austausch begann, hat sich zu einem wertvollen Kreis entwickelt, der mehr ist als die Summe seiner Teile. Vielleicht liegt gerade darin eine wichtige Erkenntnis für Führungskräfte: Die besten Impulse kommen oft von außerhalb der eigenen Branchenblase. Man muss nur den Mut haben, den ersten Schritt zu machen und andere einzuladen, mitzugehen. In einer Zeit, die von Spezialisierung und Expertentum geprägt ist, zeigt sich der besondere Wert des Blicks über den Tellerrand – und der Bereitschaft, von den Erfahrungen anderer zu lernen.
Foto von Amel Uzunovic